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  • heimisch 01/2021

    Der Bauherr im Küchenschrank

    Wenn ein Grundstück spitz zuläuft, muss man auch beim Hausbau um oder besser: in die Ecke denken. Aber was haben Eier im Estrich und der Bauherr im Küchenschrank verloren? Ein Besuch in einem ungewöhnlichen Neubau.

    Wir sind verabredet, um einen Neubau zu besichtigen. Doch wo soll der sein, fragen sich die Fotografin und ich. Dann entdecken wir es: Von der Straße kaum einsehbar befindet sich ganz am Ende einer schmalen Einfahrt ein modernes, freistehendes Einfamilienhaus. Durch schlichte Formen in Kombination mit Holzpaneelen wirkt das Haus elegant und wohnlich. Man merkt sofort, hier ist alles ein bisschen anders, keine 90-Grad-Winkel, kein Null-Acht-Fünfzehn-Bau. 

    Die junge Familie empfängt uns herzlich in ihrem neuen Eigenheim, das im elterlichen Garten des Bauherrn errichtet wurde. Ursprünglich hatten die Eltern die Idee eines Anbaus am eigenen Haus, um ein Mehrgenerationenhaus zu schaffen. Sie im Erdgeschoss, die junge Generation in den Etagen darüber. Alle wollten gerne nah beieinander wohnen, kann man sich dadurch doch wunderbar gegenseitig im Alltag unterstützen. Bei einem gemeinsamen Aperol auf der Terrasse kamen sie schließlich ins Planen und Träumen und beim Blick in den Garten entstand die Idee, dass hier eigentlich noch ein weiteres, freistehendes Haus reinpassen müsste. Für alle die ideale Lösung. 

    Aber planungstechnisch eine Herausforderung, denn das rund 300 Quadratmeter große Grundstück läuft nach hinten äußerst spitz zu, wie ein sehr schmales Dreieck. Ein Fachmann musste also her. Gemäß dem Sprichwort „Das erste Haus baust du für deinen Feind“ lehnte der erste Architekt den Auftrag direkt ab. Nicht machbar, so seine Einschätzung.

    „Das zweite Haus baust du für deinen Freund“, heißt es, und der zweite Architekt zeigte tatsächlich viele Möglichkeiten, aber auch Hürden auf. Das ist wichtig für die Findungsphase, aber es sollte eben ein Haus nach dem sprichwörtlichen „Das dritte Haus baust du für dich selbst“ entstehen. So war es auch erst der dritte Architekt, der es schaffte, soweit um die Ecke, oder besser „in die Ecke“ zu denken, dass das Eigenheim entstehen konnte.

    Das Haus bietet nun eine Wohnfläche von 135 Quadratmetern, aufgeteilt in Erdgeschoss mit Eingangsbereich, offener Küche und Essbereich sowie Wohnecke. Im ersten Stock liegen Schlafzimmer, zwei Kinderzimmer, Büro und zwei Bäder.

    Durch den ungewöhnlichen Grundriss entstand ein einzigartiger Bau, der allerdings auch eine intensive Planungszeit brauchte, von der ersten Idee 2015 über den Auftrag beim Architekten 2017 bis hin zum Einzug im Frühjahr 2020. Aber die Familie sei drangeblieben und habe immer an ihr Ziel geglaubt, lobt die Mutter des Bauherren stolz, als sie eben kurz rüberschaut und uns ein Getränk anbietet. 

    Die Liebe zum Detail und wohlüberlegtem Planen merkt man im ganzen Haus. Das Ehepaar übernahm sogar selbst die Bauleitung. Jeden Tag, auch noch hochschwanger, radelte Corinna vom Nachbarort auf die Baustelle. Sie hat jeden Bauschritt überprüft, Fragen geklärt, kontrolliert. Dominik kümmerte sich um die komplette Terminierung der einzelnen Gewerke und hatte den Ablauf im Blick. Das Dach war beispielsweise als Ziegeldach geplant. Als den Bauleuten auffiel, dass die Neigung des Daches nicht stimmt, wurde kurzerhand auf ein Blechdach umgeschwenkt. Oder als im Elternbad für den geplanten Spiegel eine zu kleine Nische über den zwei Waschtischen vom Trockenbauer vorbereitet worden war. Da veranlasste die Bauherrin, dass die Handwerker rasch nachbesserten und die Nische über die gesamte Breite zogen.

    Schon der Eingangsbereich lädt direkt zum Verweilen ein, von einem gemütlichen Sitzfenster aus hat man einen fantastischen Ausblick ins Grüne. „Alle großen Fenster sind nach Südwesten ausgerichtet“, sagt der Hausherr. Also bleiben wir erst mal hier sitzen, während uns erklärt wird, dass das eine Maßanfertigung sei, man beim Einbau der Lichtspots darauf achten musste, dass nichts zu heiß werden könne und die Elektrik ausgelagert wurde, also nicht direkt unter dem Holz platziert ist. Eine perfekte Zusammenarbeit von Schreiner und Elektriker, Hand in Hand. Praktisch gedacht sind auch die großen Schubladen unter der Sitzbank für die Schuhe. 

    Wir gehen weiter in den Wohnbereich. Küche und Esszimmer sind offen gestaltet in einem Raum. Um die Ecke versteckt schließt sich eine gemütliche Sofaecke an. Ohne Türen wirkt der ganze Bereich modern, offen und hell. Die Küche selbst ist gradlinig, schlicht. Ohne Schubladen- oder Schrankgriffe, die die Optik durchbrechen würden. Da das Haus selbst so viele schräg verlaufende Wände hat, sollte hier ein Gegenpol gesetzt werden. Klare gerade Linien. Eine Arbeitsfläche aus warm gewalztem Edelstahl rundet das Bild ab. Auch hier wurde, wie im ganzen Haus, wohlüberlegt geplant. Ursprünglich sollte es eine Steinplatte sein, aber der Testlauf mit einem Steinmuster ergab: „Nicht zufriedenstellend. Wir haben Öl und Soße drauf geschüttet und gemerkt, dass das Material nicht unseren Vorstellungen entsprochen hat. Das war schwer zu reinigen“, erzählen die Bauherren. Mit Nahrungsmitteln auf der Baustelle hat das Paar noch eine weitere, ganz eigene Erfahrung gemacht: Denn bei der Wahl des Brotzeitortes hatten die Bauarbeiter eines Tages leider nicht mitgedacht und ihre Semmeln auf dem frisch gegossenen Estrich verspeist. Der Semmelbelag war anschließend darauf festgeklebt, für immer verewigt. „Eier im Estrich will man einfach nicht haben!“ sagt die Bauherrin, die das Missgeschick der Arbeiter aber damals gleich selbst entfernte. 

    Mitten in den Erzählungen aus den Bauzeiten dreht sich der Hausherr plötzlich um und verschwindet im Küchenschrank. Moment mal, was ist das denn? Wo ist er hin? Jetzt sehen wir es: In der Front der Küchenzeile ist eine Schwingtür eingebaut. Nahezu unsichtbar tarnt sich die Tür als normaler Schrank. Gleich dahinter liegt ein kleiner Abstellbereich, eine Terrassentür zur Einfahrt hin und, besonders raffiniert, die Treppe in den Keller. Den Zugang zum Keller in der Küche zu verstecken, war eine Idee des Küchenplaners. So kann man, sehr praktisch, alle Einkäufe über die Terrassentür gleich in die Küche oder in den Keller tragen. Ohne Umwege. Die Kellertreppe sollte ohnehin nicht aus dem Wohnbereich offen nach unten führen, eine Tür zum Keller wollte das Paar von Anfang an. Grandios gelöst. 

    Wir gehen die Kellertreppe hinunter, um einen Blick in die Kellerräume zu werfen. „Stoß dir nicht den Kopf!“, warnt die Bauherrin lachend. Das sei ein Running Gag aus der Bauzeit, erfahren wir, denn weil im Rohbau alles anders wirkt, dachte der Bauherr lange, die Treppe sei viel zu niedrig. So hat er während der Bauzeit extra nochmal die Höhe von Treppen in anderen Häusern nachgemessen, um ganz sicher zu gehen, dass das wirklich stimmt. 

    Der technikaffine Bauherr wollte die Haustechnik auf dem allerneuesten Stand einsetzen, am liebsten ein großes Smart Home System, das wirklich alles vernetzt. Nach individueller Beratung durch die Elektrofirma Miethaner und Neumeier hat er sich aber doch für ein kleineres Paket für sein Einfamilienhaus entschieden, das sei vollkommen ausreichend, hatte Elektrotechnikmeister Daniel Miethaner ihm geraten. Denn auch in dem kleineren Paket ist jede Menge enthalten: Rollläden, Licht, Heizung und Türklingel lassen sich einfach per Klick über das Handy oder Tablet steuern. Auch die Lichtschalter könnte man damit individuell belegen und später je nach Bedarf wieder verändern. Dass im Neubau dennoch herkömmlich bedienbare Lichtschalter eingebaut wurden, war Wunsch der Bauherrin: „Da muss man doch auch an die älteren Generationen, wie zum Beispiel die Eltern nebenan, denken. Die sollen schließlich auch zurechtkommen.“ Wie vernetzt die Haustechnik ist, verbildlicht der eigene Technikraum im Keller mit Lüftungs-, Heizungs- und Elektronikanlage. Sogar der Feueralarm lässt sich in Bereiche aufteilen und auch von der Lautstärke her steuern. Ein hohes Maß an Sicherheit, sollte unbemerkt ein Feuer entstehen. 

    Denn das einzige Feuer, das in dem Haus öfter brennen soll, hat seinen Platz im Wohnbereich oben. Der schwebende Kamin ist ein echter Blickfang und eine platzsparende Version eines Kamins für alle, die auch in kleineren Räumen nicht auf einen Kamin verzichten wollen. Ein besonderer Clou: Der Kamin ist drehbar, so kann man den Blick aufs Feuer sowohl von der Couch als auch vom Esstisch aus genießen. 

    Weiter geht es ins Obergeschoss. Die Holztreppe führt in schlichtem Design ohne Geländer nach oben. In den Wänden, direkt bei den Stufen, sind Spots eingebaut. Praktisch und schick zugleich. 

    In den Kinderzimmern merkt man wieder den ungewöhnlichen Grundriss, keine Wand verläuft hier geradlinig. Daher fehlen auch noch einige Möbelstücke, denn die Schränke müssen fast alle maßgefertigt werden. 

    Das kleine Büro liegt direkt gegenüber vom Treppenaufgang und ist mit einer Glasschiebetür abgetrennt. So fällt auch genügend Licht in den Flur im ersten Stock. Im Büro findet man wieder ein großes Fenster. „Dieser Weitblick ins Grüne ist wirklich ein Glücksgriff,“ schwärmt der Bauherr. 

    Fast wie Wellnessurlaub zu Hause und ein Highlight des Hauses ist das Elternbad im Obergeschoss. 

    Zugänglich über das Schlafzimmer liegt, durch eine Schiebetür abgetrennt, das große Bad. Von der Badewanne aus kann man den Ausblick aus dem extra großen Fenster in vollen Zügen genießen. Schon bei der Planung war klar, dass an der spitzen Seite des Hauses die Dusche sein wird. Duschen im Winkerl, umgesetzt von der Firma Kölbl. Die Dusche ist ebenerdig begehbar und kommt ohne Glaswände aus. Auch von hier aus – der perfekte Ausblick.

    Und von der anfangs zu kleinen Spiegelnische ist nichts mehr zu merken. Es sei bei allem wirklich hilfreich gewesen, dass sie den Baufirmen und Handwerkern vertrauen konnten, erinnern sich die Bauherren. Denn bei Problemen wurden immer rasch Lösungen gefunden. 

    Wir gehen wieder nach unten. Der Rundgang durch das ungewöhnlich geschnittene Haus hat uns beeindruckt. Auch das Bauherrenpaar ist sehr zufrieden mit dem Gesamtergebnis.

    Was sie anders machen würden? Eigentlich nichts, sagen sie, die lange Planungszeit habe sich jedenfalls ausgezahlt

     

    Tipp der Bauleute

    Einen Lichtgestalter von Anfang an in die Planung mit einbeziehen. Die unterschiedlichen Lichtstimmungen und Möglichkeiten hat man als Laie einfach nicht im Blick.

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